Kommentierte Pressemitteilung von Cochrane Deutschland
https://idw-online.de/de/news?id=755818

Studie zu Langzeitwirkungen von E-Zigaretten

  • Viele Raucher hoffen, durch den Umstieg auf nikotinhaltige E-Zigaretten vom ungesunden Tabakkonsum loszukommen.
  • Anmerkung: Der Versuch, von einem hochfunktionalen Muster loszukommen, ist vom Ansatz her problematisch. Es ist nicht mit den Funktionsweisen des Gehirns kompatibel, sich zusammenzureißen, um gesund zu werden. 
  • Ein aktualisierter Cochrane Review bestätigt nun, dass die Rauchentwöhnung mit E-Zigaretten offenbar tatsächlich besser klappt, als beispielsweise mit Nikotinersatzprodukten wie Pflastern und Kaugummis. Der Review zeigt aber auch Wissenslücken auf, wenn es um die Langzeitwirkungen des Nikotindampfens geht.
  • Anmerkung: Es sieht danach aus, als würde mit den E-Zigarette der Versuch unternommen, den Teufel (Teer/Nikotin) mit dem Belzebub (Nikotin, andere Ersatzstoffe) auszutreiben.
  • Tabak in jeglicher Form ist gesundheitsschädlich und trägt Schätzungen zufolge weltweit jährlich zu über acht Millionen Todesfällen bei.
  • Obwohl viele Raucher und Raucherinnen eigentlich aufhören wollen, fällt ihnen ein langfristig erfolgreicher Rauchstopp oft schwer. In Deutschland waren laut der WHO im Jahr 2018 immerhin noch geschätzte 25 % der Bevölkerung Raucher, in Österreich 26 % und in der Schweiz 23 % (https://www.who.int/publications/i/item/who-global-report-on-trends-in-prevalenc…).
  • Anmerkung: Den rauchenden Menschen mangelt es in der Regel nicht an Einsichtsfähigkeit. Das Fortbestehen des suchtartigen Verhaltens lässt sich dadurch erklären, dass mit dem Rauchen eine Botenstoff-Reaktion verbunden ist, die mit dem Nikotin nur auf Umwegen etwas  zu tun hat.

Nikotinersatztherapien

  • Eine der wirksamsten und am weitesten verbreiteten Strategien, mit dem Rauchen aufzuhören, sind Nikotinersatzprodukte wie Hautpflaster oder Kaugummis. Sie dämpfen den Drang zum Rauchen durch die Aufnahme von kleinen Dosen Nikotin.
  • Anmerkung: Der Einsatz von Nikotinersatzprodukten mag die bislang womöglich wirksamste Strategie gewesen sein. Tatsächlich erfolgreich im Wechsel vom Leben als Raucher zum Leben als Nichtraucher sind die Menschen, die sich unabhängig machen von allem, was von außen kommt.
  • Einen ähnlichen Ansatz verfolgen elektronische Zigaretten, wenn man sie mit dem Vorsatz der Rauchentwöhnung nutzt. Obwohl E-Zigaretten immer weniger aussehen wie herkömmliche Zigaretten, ahmen sie im Gegensatz zu Kaugummis und Pflastern doch die Erfahrung des Zigarettenrauchens nach, weil sie wie Zigaretten in der Hand gehalten werden und einen rauchähnlichen Dampf erzeugen. So können sie für Raucher, die sich nur ungern von ihrer ungesunden Gewohnheit trennen, durch ein ähnliches Raucherlebnis den Abschied von der Zigarette erleichtern. Dabei versorgt sich der Raucher mit dem Suchtstoff Nikotin, ohne sich (und seine Mitmenschen) dem schädlichen Rauch herkömmlicher Zigaretten auszusetzen.
  • Anmerkung: Wenn nikotinhaltiger Dampf in der Luft liegt, können das Nikotin sowie Aroma- und andere Zusatzstoffe durchaus auch in die Atemwege Unbeteiligter gelangen.
  • Ein Team von Cochrane-Autoren hat nun einen Cochrane-Review aktualisiert, der die Wirksamkeit von nikotinhaltigen E-Zigaretten mit einer Reihe anderer Maßnahmen zur Rauchentwöhnung vergleicht. Zu diesen Vergleichsinterventionen zählten neben einem Rauchstopp ohne spezielle Unterstützung auch Nikotinersatzprodukten (Kaugummis oder Pflaster), verhaltenstherapeutische Unterstützung und E-Zigaretten ohne Nikotin. Der Review umfasst 50 Studien – 35 mehr als der im Jahr 2016 publizierte Vorgänger. Rund die Hälfte davon sind Beobachtungsstudien ohne Kontrollgruppe. Die Ergebnisse dieser methodisch schwächeren Studien decken sich aber weitgehend mit denen kontrollierter Studien.
  • Anmerkung: Auch hier wird dem Trend gefolgt, ausschließlich die Verhaltenstherapie zu wählen. Systemische und hypnosystemische Ansätze haben sich als wirksam erwiesen, weil sie weniger didaktisch arbeiten und dafür ergebnisorientiert, an Wechselwirkungen und Kontextbedingungen interessiert.

Die Ergebnisse im Einzelnen

Die Autoren identifizierten drei Studien mit 1498 Personen, die E-Zigaretten mit Nikotinpflastern oder -kaugummis verglichen. Die Ergebnisse zeigen, dass mehr Menschen mit dem Rauchen aufhören, wenn sie nikotinhaltige E-Zigaretten verwenden, als wenn sie andere Nikotinersatzprodukte anwenden. In absoluten Zahlen: Während 6 von 100 Personen mit Hilfe einer Form von Nikotinersatztherapie mit dem Rauchen aufhören, schaffen dies unter Verwendung von nikotinhaltigen E-Zigaretten 10 von 100 Personen. Diese Ergebnisse beruhen auf Evidenz, deren Vertrauenswürdigkeit von den Autoren als moderat (dritte von vier Stufen im GRADE-System, neben sehr niedrig, niedrig und hoch) eingestuft wird.

Ähnliche Ergebnisse mit ebenfalls moderater Vertrauenswürdigkeit der Evidenz wurden in drei weiteren Studien mit 802 Personen gefunden, die nikotinhaltige E-Zigaretten mit nikotinfreien E-Zigaretten verglichen.
Evidenz aus vier Studien (2312 Personen, Vertrauenswürdigkeit sehr niedrig) zeigte auch, dass Menschen, die nikotinhaltige elektronische Zigaretten verwenden, öfter mit dem Rauchen aufhörten als solche, die nur eine verhaltenstherapeutische Unterstützung oder gar keine Unterstützung erhielten. Während ohne Unterstützung rund 4 von 100 Personen den Absprung vom Rauchen schaffen, gelingt dies mit nikotinhaltigen E- Zigaretten 10 von 100, also mehr als doppelt so vielen.

Welche Nebenwirkungen haben E-Zigaretten?

Die Autoren fanden keine gute Evidenz zu ernsthaften unerwünschten Nebenwirkungen oder Schäden durch die Nutzung von E-Zigaretten. Allerdings ist dieses Ergebnis mit hoher Unsicherheit behaftet, da es zu dieser Frage zu wenige Studien gab.

  • Anmerkung: Im Klartext heißt das: Niemand weiß genau, welche gesundheitlichen Schäden tatsächlich von den E-Zigaretten verursacht werden können. Denn es heißt weiter: 

Auch gab es keine Informationen über die Auswirkung eines Langzeitkonsums (mehr als 2 Jahre). Kurz- bis mittelfristig (bis zu zwei Jahre) waren Reizungen von Rachen und Mund, Kopfschmerzen sowie Husten und Übelkeit die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen. Ein weiteres Caveat: Die Studien gingen nicht auf andere unerwünschte Folgen ein, die in der Diskussion um E-Zigaretten oft diskutiert werden. Dazu gehört die Frage, ob E-Zigaretten den Nikotinkonsum für Nichtrauchern fördern oder insbesondere für Jugendliche als „Einstiegsdroge“ wirken können.

  • Anmerkung: Es ist zu begrüßen, dass hier die Risiken explizit (wenn auch in moderater Form) erwähnt werden.

Jamie Hartmann-Boyce, Public-Health-Forscherin an der Universität Oxford und Hauptautorin des aktualisierten Reviews von der Cochrane Tobacco Addiction Group (https://tobacco.cochrane.org/), kommentiert: „Seit der letzten Version dieses Reviews gibt es deutlich mehr Evidenz zur Rauchentwöhnung. Sie gibt nun eindeutigere Hinweise darauf, dass elektronische Zigaretten mit Nikotin die Chancen auf einen erfolgreichen Rauchstopp im Vergleich zu Nikotinkaugummis oder Nikotinpflastern erhöhen können.

„E-Zigaretten entwickeln sich technologisch stetig weiter. Moderne elektronische Zigaretten haben eine bessere Nikotinabgabe als die frühen Geräte, die in den von uns gefundenen Studien getestet wurden. Deshalb sind mehr Studien erforderlich, um zu erfahren, ob die Raten des Rauchstopps durch die Art der verwendeten elektronischen Zigaretten beeinflusst werden können.

„Zwar gibt es derzeit keine eindeutige Evidenz für schwerwiegende Nebenwirkungen, aber es besteht eine beträchtliche Unsicherheit was die Nebenwirkung von E-Zigaretten betrifft, vor allem bei längerfristiger Nutzung. Der wissenschaftliche Konsens lautet, dass E-Zigaretten wesentlich weniger schädlich sind als traditionelle Zigaretten, risikofrei sind sie jedoch nicht.

„Es ist ermutigend, dass jetzt schon weitere 20 Studien laufen. Wir werden schon ab Dezember 2020 jeden Monat nach neuer Evidenz suchen. Unser Plan ist es, den Review regelmäßig zu aktualisieren, damit wir Rauchern, Gesundheitsdienstleistern und Entscheidungsträgern die notwendigen Informationen zum potenziellen Nutzen sowie den potenziellen Schäden von E-Zigaretten liefern können“.

  • Anmerkung und Zusammenfassung: Wenn man von der Grundannahme ausgehen will, dass Nikotinabusus am besten mit anderen Formen von Nikotinzufuhr „geheilt“ werden kann, dann könnten E-Zigaretten als weniger schädlich gelten gegenüber den Tabakzigaretten. Schädlich sind sie dennoch. Eine günstigere Einschätzung lässt sich nicht treffen.